25.03.2021_Multilokale Lebensführung – Wohnen und Leben an mehreren Orten – aufgrund von Corona ein aktuelles gesellschaftliches und räumliches Phänomen. Multilokalität ist nicht grundsätzlich neu, wandelt sich aber mit den gesellschaftlichen Lebensbedingungen und -verhältnissen. Dabei geht es um sich verändernde räumliche Mobilität, die sich in einem Spannungsfeld zwischen Bewegung und Verankerung einordnen lässt und in zahlreichen Ausprägungen vorzufinden ist. Das Spektrum umfasst beispielsweise arbeitsbedingt Wochenendpendelnde, Paare in Doppelhaushalten ("Living Apart Together"), "Expatriates", transnationale Pflegekräfte, Menschen mit Ferienunterkünften oder pendelnde Kinder in Nachtrennungsfamilien. Zwischen einem Viertel und einem Drittel von uns lebt heute parallel an mehreren Orten.
Ein historisches Beispiel von multilokalem Leben aus einer unserer Gemeinden, welche wir raumplanerisch beraten: Nach Wilderswil kamen Künstler und Intellektuelle im 19. und 20. Jahrhundert nicht für Tage, sondern für Wochen und Monate. Sie lebten und arbeiteten in Berlin, Leibzig oder Basel und zweitweise, saisonal in Wilderswil, bevor einzelne mit der Zeit in Wilderswil Fuss fassten. Im Ried, oberhalb Wilderswil, haben sich Nachfahren von Felix Mendelssohn Ende des 19. Jahrhunderts ein - heute würde man sagen - Resort gebaut, wo viele gescheite Köpfe Europas ein- und ausgingen. Eine schöne Geschichte, welche auf multilokaler Lebensführung fusst und zeigt, welche Bereicherung dies sein kann!